Sascha Herrmann | Kolumne | Teil 5

DRAGMAG – Kolumne Sascha Herrmann Teil 5: 2019.

Hallo liebe Dragracer, pünktlich zum Jahressende mein persönlicher Rückblick 2019.

Es wird etwas mehr als sonst, aber es ist ja auch viel geschehen. Dummerweise muss man bei einer Chronik mit dem Januar anfangen und da gibt es in Deutschland keine Viertelmeile. Und doch ist es etwas passiert: Herr Herrmann kauft seinen ersten eigenen Trailer. War das ein Drama! Seid mal ehrlich: Bei wem hat die Geschichte mit dem Auf- und Abladen direkt reibungslos funktioniert?

Unvergessen Beates Schweigen in der Leitung, als ich sie anrief, dass sich nun der Lupo auf und die Schürze unter dem Hänger befand. Kennt Ihr das, wenn Frauen als Ausdruck des herannahenden Verbal-Tsunamis extrem lange Pausen zwischen den Worten lassen? „Das…ist…nicht…Dein…Ernst!“ Quasi jedes Wort ein Gelblicht, dazwischen eine halbe Sekunde Pause und dann… ROTLICHT!

Während viele Anfänger den Renner zu achtlos auf dem Anhänger sichern, war es bei mir genau umgekehrt: In Jade brauchte es einen indischen Entfesselungskünstler um die Karre frei zu bekommen. Ich hätte mich auf der Bahn dreifach überschlagen können, Träger und Getragener wären untrennbar aneinander gekettet gewesen. Wozu hat man auch acht Gurte und zwei Achsen?

Im Februar habe ich dann festgestellt, dass es neben dem klimatischen Temporärzustand „Trocken“ auch tatsächlich „Nass“ geben kann. Der Regen verwandelte die Rampen des Hängers in eine Rodelbahn und der Lupo musste im Freien schlafen. Oben.

Das ist auch der Monat, in dem die Arbeiten und Umbauten an den Rennern für die neue Saison so langsam zum Ende kommen sollten. Man will ja noch abstimmen. Bei mir wurde nur darüber abgestimmt, ob ich endgültig übergeschnappt bin, nachdem ich meinen Rennkalender 2019 veröffentlicht hatte. 17 Rennen? „Das bringt der nicht!“ Hätte ich aber, wenn nicht Alkersleben, AC Ascheberg, Husum, DAS Drag Day und Drachten ausgefallen wären. Mit Ausgleich durch Zerbst wurden es immerhin noch 13 Veranstaltungen, bei denen ich die Leute mit ermüdenden 13er Zeiten drangsalierte. Passt.

Im März sollten die Autos ready sein. Beruhigend, dass ich noch gar nicht angefangen hatte. Immerhin bin ich mit dem Lupo durch die Waschstraße gefahren und war tanken. Also mit demselben Setup ins Rennen, wie 2018. Das kann ja heiter werden. Die Antriebswellen knackten nun in ihrer dritten Saison. Man gewöhnt sich dran, der 1,8T klingt ja sowieso kaum nach Motorsport. Das Ersatzgelenk liegt seit Jahren in der Garage. Da liegt es gut.

Wenigstens standen nun meine Sponsoren fest, die meinen groben Unfug auch noch unterstützten. An dieser Stelle besten Dank an meinen portugiesischen Freund Jorge, der verhinderte, dass ich mich mit der riesigen Werbefolie nicht mumifizierte und nicht mit am Auto festklebte.

So ging es also im April ohne Frontschürze und Leistung aber mit Werbung zum ersten Rennen nach Brilon zur EFR. Hier stand ich zur Moderation auch wieder am Mikro und ich hatte den dicksten Kloß ever im Hals, als ich die letzte Fahrt von Dirk Jakobis Ascona und Marco Degenhardts Audi 80 ankündigte. Beide Autos schenkten sich nichts und wenn Meilenmomente das Wort „historisch“ verdient haben, dann dieser.

Neben diesem Abschied gab es auch eine Premiere: Die EFR Viertelmeile mit neuer Funkanlage! Und sie lohnte sich bereits nach wenigen Minuten, nachdem einem AMG Fahrer plötzlich klar wurde, dass frisierte 900 Newton auf der Hinterachse mit abgeschaltetem ESP oft einen Wechsel von Bahn 1 zu Bahn 2 zur Folge haben können. „Fährste quer, siehste mehr“. Nur gut, dass Martin mit seiner Corvette schon die Beine in die Hand genommen hatte.

Für mich war es das erste Aufeinandertreffen mit dem Boostini-Arosa (320 PS) und es endete mit einem knappen Sieg für mich und der Erkenntnis, dass man fahren und schalten kann wie eine Wildsau, wenn der Hänger als Sicherheit dabei ist. Platz 19 von 79 in meiner Klasse. Naja.

Im Mai wurde es kniffelig. Zerbst und Meinerzhagen an einem Wochenende. Bei den Zerbstern wollte ich ballern und Punkte für die Jahreswertung von Sachsen-Anhalt sammeln und sonntags sollte ich aber bei Herrn Freitag moderieren. Herrje. Also Arbeitsteilung der Autos: Am Samstag mit dem BMW den Klassensieg in Zerbst eingefahren, dann Sonntagmorgen im Schneetreiben mit dem Lupo in Meinerzhagen angekommen. Die Sonne kam. 10,8 Sekunden Rolling 50 mit dem Lupo und später auf der Rückfahrt mit laufendem Motor und Blinker rechts auf einem Rastplatz eingeschlafen. Man wird nicht jünger.

Ende Mai ging es dann zu Silke, zu 1on1 Motorsports in Bad Sobernheim. Ach Silke! Werden wir jemals Bitburg vergessen? (Anmerkung der Redaktion – NEIN!!!). Ein anderes Thema, es war ein tolles Wochenende, hier lernte ich Markus vom Dragmag kennen, wodurch meine schriftlichen Machwerke zustande kamen.

Zum ersten Mal Co-Moderation mit Sprecherlegende Benni, es ist erschreckend wie viele FIA Paragraphen und gefahrene Zeiten ein menschliches Hirn abspeichern kann. Beim Verlassen der Strecke von Uwe Kindich, aber vorherigem Rotlicht seines Kontrahenten hatte er direkt die Antwort auf die tricky Situation und ein Fallbeispiel von 1976 parat von irgendeinem Track auf diesem Planeten. Erschreckend geil.

Der Mann weiß einfach alles und überließ mir wohlwissend die Moderation ganz kleiner Autos mit ganz kleinen Turbos. Harmonierte gut und als ich in E2 gegen einen 12-Sekunden-V8 gewann gab es sogar noch meinen aller ersten 1on1-Pokal (für Platz 3).

Wenn man bei Foto-Harry vor der Linse steht, hat man es einfach wieder geschafft und das Leben ist schön. Es sollte nicht das letzte Mal 2019 sein.

Juli: Aldenhoven!

Oder auch Aldenhofen oder Altenhoven oder Altehosen, ich habe in 12 Jahren EFR schon alles gelesen. So ganz sicher bin ich mir auch nie, aber eines ist sicher: Schnellster ungeklebter Track in meinem Meilenkosmos.

Wenn es irgendwie möglich sein sollte mit dem Lupo die 13,14 meines 1300er Polos von 2015 zu knacken, dann hier. Die Ausgangslage vom Lupo jedoch war 13,34 im Vorjahr, technische Veränderungen und Hoffnungsgrund: Beifahrersitz ausgebaut…

Und dann ging es rund. Wovon jeder Fahrer träumt.

13,3…13,24…13,20…Mittagssonne…Grip…13,15…Verflucht…13,15…ahh…13,13…YES!!…13,12…13,11… Saufen

In meinen Freudentaumel platzte Beate, die mir mal eben ganz beiläufig erzählte, dass sie in einem unbeobachteten Augenblick in einem von mir nicht autorisierten Lauf mit dem BMW meinen Familienkombi-Rekord mit 0,3 Sekunden weniger pulverisiert hatte: 13,5 statt 13,8 Sekunden.

Bitte was??? Wie zum Teufel…?

Sie hielt mir ihren Timeslip unter die Nase, die Ursache für ihre unfassbare Zeit versuchte ich durch Inquisition für mich reproduzierbar zu machen. Ihre wenig sachdienliche, fast schon sabotierende Antwort: “Ich habe da einen Hebel gezogen. Ich weiß nicht wann und auch nicht welchen.“ Frechheit. Gibt es jemanden hier, dessen Frau schneller ist auf des Mannes Ross? Bitte meldet Euch. Auch gerne mit Hebelbeschreibung.

Mitte Juli dann aber meine Rache beim Sport 1 Trackday am Nürburgring: Beide auf der bayrischen Blaubombe in der Dieselklasse angemeldet. Platz 2 für mich und Platz 3 für…ja Mann! 😊

J wie Juli und Jade.

Für mich Public Racer die schönste Veranstaltung, unschön der Abflug von Pierre (Wolfswankel Golf) und der Dreher von Janine (Silberner Schumann Motorsport Mercedes). Aber es ist alles gutgegangen. Für mich kam das Aus im Viertelfinale. Schon wieder Maurice Heller, HARA Mitglied und Mustang Fahrer. Letztes Jahr verlor ich durch Straßenreifen und miesem Start, dieses Mal ein Bombenstart von mir und Führung bis… ja bis meine Hand den Weg durch die Schaltkulisse nicht vom Zweiten in den Dritten fand, sondern sich für den Fünften entschied. Kennt Ihr das Gefühl, wenn Ihr glaubt, Ihr hättet das richtige Programm eingeschaltet und gleich wird es spannend, aber es passiert nichts beim Tatort? Genauso ging es mir ab der Achtelmeile. Nun kam der Augenblick, auf den meine am Ring gedemütigte bessere Hälfte gewartet hatte: „Also ich habe in meinem Leben noch nie vom Zweiten in den Fünften geschaltet…“ Pause. Verachtender Blick.

Wenigstens sorgte mein Beifahrerstuhl für etwas Erheiterung. Das ganze Wochenende mit festgezurrtem Gartenstuhl sah schon semi-professionell aus, das Reglement befand meinen daheimgelassenen zweiten Sitz als unzulässig. Einige stuften mich wegen des Campingteils als Fuchs und Gewichtsoptimierer ein. Danke.

Anfang August wie immer Race at Airport in Bottrop Hier kam es zu einem Lausch-Angriff des größten Feindes der Viertelmeile in Deutschland.

Das Ordnungsamt? Der Sparkassenberater? Rundstreckenverfechter mit C-Lizenz? Nein, es hatte sich ein sozialkritisches Team vom WDR eingeschlichen, dass einen Bericht über die Fridays-for-Future Bewegung im Kontext zur petrophilen Vollgasgesellschaft in Deutschland drehen wollte. In deren Sprachjargon und subtiler Herabsetzung der Meilepiloten hätte durchaus auch das Wort „petrolphil“ vorkommen können, ist aber eine Erfindung von mir und sie beließen es dabei, Interviews gekonnt zusammenzuschnippseln und deren Aussagekraft in Richtung „Vollproleten auf dem Gaspedal“ zu rücken.

Hätte man das mal vorher gewusst, die Ordner von Race at Airport können sehr nachdrücklich sein. Platz 15 von 31 in der doofen Klasse 2,0 Turbo.

Im September ließ der nächste Skandal auch nicht lange auf sich warten. Herr Herrmann fährt zum ersten Mal DMSB Pro ET. Mit dem Familienkombi. Um Himmelswillen An sich war es ja eine geniale Idee von mir. In Zerbst bot man gleich zwei Wettbewerbe zum Preis von Zweien an. Pro ET und Clubsport. Um mehr Teilnehmer zu locken, war bei Pro ET die Index Grenze von 11,99 auf 13,99 heraufgesetzt worden. Parallel wurde im Clubsport auch wieder die 14-Sekunden-Klasse angeboten, in der es darum geht, eine möglichst niedrige 14 zu fahren.

Ich hatte einen perfiden Plan: Index mit 13,99 angeben, 14,00 fahren und beide Wettbewerbe gewinnen. Da das Auto für 13,5 gut war (Bild berichtete), sollte das aufgehen. Immerhin hatte ich schon 200 Euro Anmeldegebühr ausgegeben (Zwei Nennungen plus DSMB Lizenz), da will man ja jetzt auch was reißen. Es kam tatsächlich die 14,02. Doch die freundlichen Herren der DHRA disqualifizierten mich in Pro ET: Zu langsam für die Klasse. Ich reiste entsetzt ab. Und vergaß meinen Pokal für Platz 1 in Clubsport abzuholen.

Was folgte war eine unendliche Diskussion bei Facebook mit über 100 Kommentaren, ob mein Ausscheiden rechtens gewesen sei, wobei sich Drag-Deutschland in zwei Lager spaltete und Harry Herzau noch mehr graue Haare bekam.

Ein paar Wochen später ging es wieder in den Osten, zum ersten Mal zum Restart von „Race at Airport“ in Merseburg. Ich dachte mir, dass die Veranstaltung dort noch keiner kenne und in meiner Klasse bestimmt nicht viele Starter seien und ich seit 2017 endlich Gustl mal wieder einen Pokal aus dem Kreuz leiern könne. Äh nein.. ich hätte in meiner kleinen Klasse eine niedrige 10 fahren müssen. Die Ossis brachten die wildesten Karren an den Start. Platz 12 von 16. Hilfe.

Aber wenigstens kam hier die Erkenntnis, dass meine Abgasanlage nicht die beste Lösung zu sein scheint. Beim letzten Lauf auf den unruhigen Betonplatten riss mir die Downpipe und ich zog meine Anlage hinter mir her. Geiler Funkenflug, geiler Soundteppich, beste Zeit des Tages und 6 km/h mehr Top Speed. Aha. Bauen wir also etwas Größeres.

Ende September dann Brilon II.

Oder soll ich besser sagen die Cees-Festspiele? Cees hier, Cees da. Cees Gorter aus den Niederlanden machte alle wahnsinnig. Selbstgefräster Alublock, High-End NASA Getriebe und Leistung ab 1000 PS. Die Männer waren verrückt nach seinem 9-Sekunden-S2 und die Frauen nach ihm. Bleibt ruhig, der Mann hat Frau und Kind. Ausgerechnet bei seinem besten Lauf kam es zu einem Missverständnis zwischen Moderator Herrmann, dem Starter Ingo und dem fliegenden Holländer.

Ingo: „Bitte einmal Reset.“ Ich: „OK.“ Audi: „Ich bin schon gesprungen.“ Seine Box hatte 9,2 aufgezeichnet, sorry. So blieb es bei seiner offiziellen 9,4. Mit meiner 13,3 am Briloner Berg kann ich zufrieden sein. Platz 20 von 80 oder 18 von 78 oder sowas.

Oktober, „Endscheidung im Ost Sektor“.

Vor dem letzten Rennen in Zerbst lag ich in der Jahreswertung in meiner Klasse mit einem Pünktchen Vorsprung vor Dieter Langner auf Platz 1. Die anderen konnten mich nicht mehr einholen, es galt an diesem Wochenende keinen Punkt weniger zu holen als Dieter. Dann passierte das, was es eigentlich nur in der Formel 1 gibt: Katastrophe bei der Tanktaktik. Hinfahrt auf eigener Achse, überraschendes Tempolimit auf der fast kompletten A2, keine Vollgasetappen und in Zerbst ist der Bauch vom BMW immer noch voll mit Billigdiesel. Es fehlten drei Zehntel. Nachts  herumgefahren, Tank endlich leer, Shell Vpower-Diesel rein und am Sonntag dann: Zack, die Karre rennt, Topzeit.

Ich lache, die anderen lachen auch. Über mich: Wertung war nur am Samstag. Sonntag nur noch DMSB Finalrunde und freies Fahren. Das war es. Meine miesen Zeiten vom Samstag reichten nur für Platz 4 und damit Zweiter in der Jahreswertung. Aber Vize-Landesmeister von Sachsen-Anhalt klingt besser als Fairnesspokal von Teschensudberg. Und er sieht richtig toll aus. Überhaupt Respekt an die Jungs aus Zerbst. Der AMC Dessau war für mich Veranstalter des Jahres. Was ich da für einen Spaß hatte!

Und sie setzten im Dezember noch einen drauf. Das Weihnachtsspecial in Zerbst. Kurz vor Weihnachten, Saison schon lange vorbei. Wenn die Freundin sagt: „Du willst doch wohl nicht da hin?!“ gibt es die normalen Kerle, die sagen „Nein, natürlich nicht.“ Und dann gibt es die petrophilen Typen. Sie sagen „Nein, natürlich nicht.“… und fahren hin.

Die Badespiele von Zerbst hatten es in sich. Dauerregen, nur Straßenautos starteten und das waren nicht so viele. Um ehrlich zu sein, ich bin so oft gestartet, dass nicht eine Elimination oder ein Motorschaden über meinen persönlichen Rennabbruch bestimmten, sondern irgendwann die Dunkelheit. Sehr geil. 😊 Nachgetankt habe ich einmal.

Kennt Ihr Veranstaltungen, auf denen Ihr nicht mehr wisst, wieviel Läufe Ihr hattet? Bin allein gefühlte 50mal gegen den Super Comp Experten Putzmann gefahren, dessen Daily Driver sich im Regen als super-compliziert gestaltete. Den Pokal für die weiteste Anreise schnappte er mir aber dann weg, Wuppertal ist auch mit großzügiger Auslegung definitiv nicht linksrheinisch.

Am 14. Dezember Viertelmeile zu fahren war schon etwas crazy, aber es spiegelte das Jahr 2019 gut wider: Einfach verrückt.

Kommt gut ins Jahr 2020, Euer Sascha.

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