Kolumne | Sascha Herrmann | Teil 3
Auf Achse
Hallo liebe Dragracer,
in der letzten Folge habe ich Euch einen beliebten Public Race Veranstalter vorgestellt, die EFR, damit die Profis unter Euch einen Eindruck davon haben, was sich jenseits des Index auf dem Dragstrip für Straßenautos so abspielt. Und schon seid Ihr mit Volllast an unserem ersten Stichwort vorbeigeballert: Straße.
In der PR Szene reisen viele Autos auf eigener Achse an und sie möchten genauso auch wieder nach Hause. In der Regel sind die Teilnehmer relativ desinteressiert daran ihre Kopfdichtung einzuschmelzen, die Kupplungsscheibe gütlich zu teilen oder Kolben und Ventile zu verheiraten. Sie möchten jedoch maximale Performance abrufen.
Dieser Widerspruch und die Hoffnung heil nach Hause zu kommen, lässt einige vorher beten.
Schäden am Einsatzmaterial traten bei mir grundsätzlich immer dann auf, wenn ich
- A) gerade die Frau meines Lebens zum Date abholen wollte oder
- B) das Drag Event mindestens 200 km von zu Hause stattfand oder
- C) der Geldbeutel gerade leer war (immer) oder
- D) meine Schrauberfreaks sich im Urlaub und auf Selbstfindungsphase befanden.
Auch bei mir gab es eine Zeit vor dem eigenen Trailer. Für ein paar Gags war das schon gut.
Der ADAC-Fahrer, der zu meinem Entsetzen schon nach Minuten da war und ich keine Chance hatte, das Auto vertragsrechtlich unangreifbar auf die Landstraße zu schieben: Da steht der reglose Polo mit Startnummern beklebt hilflos unterm Christbaum und der Herr in Gelb fragt eiskalt: “Sie wollten doch wohl kein Rennen fahren? Da kommen wir nicht für auf.“ Nein, natürlich nicht…
Eine weitere intelligente Frage kam Minuten vorher von der Aufnahmeleiterin des zufällig filmenden RTL-Teams, nachdem sie interessiert den Magmastrom aus meinem gesprengten Differential verfolgt hatte: „Starten Sie jetzt gleich?“ Antwort des G40-Fahrers:“Ja, ich mache nur eben nen Ölwechsel.“
Etwas schlauer war ich in Meschede, als ich mit enthaupteter Antriebswelle vom Gelände kullerte und die topografische Lage mein Freund war: Der Flugplatz lag auf einem Berg und man konnte ohne Motorkraft kilometerweit ins Tal kullern. Weit weg von der Rennstrecke und irgendwelchen fiesen Fragen des gelben Engels. Super Sache. Allerdings sollte man dabei sein Handy nicht bei der Freundin im Vorstart liegen lassen… Es vergingen Stunden, bis mich ein Suchtrupp von EFR Fahrern in der Wildnis des Hochsauerlandes wiederfanden.
Hart war auch für mich, als mir nach einem Rennschaden eine gewisse Lupo GTI Fahrerin die Mitnahme in jenem anbot. Die Eckdaten der zweistündigen Folterbank: Kein Beifahrersitz, keine Rückbank, 800 Grad heißer Gruppe-A-Mittelauspuff mit Dezibelklasse Tinitus, der mir seinen E-Stempel in den Hintern brannte, selbstverständlich zwischen ungesicherten Koffern in der Ersatzradmulde, die Dame musste ja für sämtliche Witterungen gekleidet sein. Und kein Augenzeuge, der mich retten konnte, denn die schwarzen Folien deckten einen Mantel über meine Misshandlung. Ihr Fahrstil: Pikes Peak. Sie sang, ich schrie.
Unvergessen auch meine Weltreise Wuppertal-Bitburg-Wuppertal-Luxemburg-Bitburg-Wuppertal.
Die Reisedaten zeigen schon, dass es nicht ganz optimal lief. Vertraue keinem Kumpel, der sagt „Ich kenne eine Abkürzung und die 17,5 ist die Außentemperatur:“ Die Abkürzung enthielt sämtliche Viadukte von Rheinland-Pfalz und die 17,5 war der Durchschnittsverbrauch des von mir zu bezahlenden Super Plus seines Abschlepp-Benz.
In einem Viertelmeile-Leben vermehren sich Grundstücksansprüche des Teilnehmers unvermeidbar.
Als Grünschnabel reist Du mit einem PKW an. Dann kommt irgendwann das Zugfahrzeug mit Hänger. dazu. Die Gondelei zum Hotel nervt. Andernfalls das steife Bein nach der Nacht im Auto. Also kommt das Wohnmobil. Dann folgt der Pavillon für den Renner und irgendwann der zweite Wohnwagen für die Crew. Und schon hat man die eigene Wagenburg und ist gerüstet für alle Fälle.
Aber die schönste Zeit war doch wie immer im Leben die abenteuerliche Anfangszeit.
Bis bald, Euer Sascha