SSB | Eine Klasse stellt sich vor | Henrik Vormdohre

Super Street Bikes

„No Slicks, no Wheeliebar” we do it the hard way ist das Motto der Super Street Bike Scene. Vor vielen Jahren noch als „Einsteigerklasse“ verschrien ist sie nun das komplette Gegenteil. Wer jetzt denkt, diese Bike Klasse wäre nicht so spektakulär, irrt sich gründlich. Kaum eine andere Motorradklasse des Beschleunigungssports ist in den letzten Jahren so gewachsen und hat so viel Zuspruch bekommen wie die Super Street Bikes.

Die Motorräder haben heute so gar nichts mehr mit „Street“ zu tun, sondern haben sich konsequent in Richtung „Super“ weiterentwickelt.

Zur Leistungssteigerung werden Turbolader, Kompressoren und Lachgassysteme verbaut. Allerdings darf nur Benzin getankt werden und die so erzielte Power muss mittels eines handelsüblichen Straßenreifensauf die Strecke gebracht werden.

Die Super Street Bikes bestechen nicht nur durch erstklassige internationale Starterfelder sondern auch durch Mega spannende Side-by-Side Rennen. Spektakuläre Darbietung und fahrerisches Können gepaart mit niedrigen 7er oder rekordverdächtigen 6er Zeiten mit Topspeeds von über 340 km/h. Welcher Motorsport kann das noch von sich behaupten?

Die Scene ist ziemlich „UK-lastig“. Bessere Testbedingungen auf der Insel waren wohl mit ein Grund hierfür. Zahlreiche Teams aus Skandinavien, Malta, Griechenland, Italien, Schweiz, Österreich und Deutschland geben dieser Klasse ein ganz besonderes Flair. Als fast schon familiäres Verhältnis könnte man die Atmosphäre bezeichnen, wenn man einen Rundgang durch das prall gefüllte Fahrerlager macht.

Fast ausschließlich trifft man auf Suzuki Hayabusa. Als solide Basis dient der 1300 ccm Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor, DOHC, mit 4 Ventilen pro Zylinder. Bereits mit kleinen Modifikationen wie geänderten Kolben (JE, Vössner etc.) und Pleuel (Carillo, MTC etc.) hält dieser schon gut 320 PS stand. Dies reicht allerdings bei weitem nicht mehr aus, um ganz vorn mitfahren zu können.

Als Basis dient oftmals ein handelsüblicher Motorradrahmen. Dieser wird zur Gewichts-Ersparnis modifiziert. Da keine Kurveneigenschaften mehr abverlangt werden, werden Versteifungen bzw. Verstrebungen demontiert. Das ungewöhnliche Erscheinungsbild dieser Bikes ist die verlängerte Hinterradschwinge in Verbindung mit dem optisch abgestimmten Heck, angelehnt an den Serien Sporttourer oder Supersportler aus dem Hause Suzuki. Der zulässige Radabstand ist auf 1730 mm beschränkt. Auffallend ist auch die stark herab-gesetzte Position des Vorderrads. Dadurch wird versucht, so viel Gewicht wie möglich auf die Vorderachse zu bekommen. Eine 16″ Felge kombiniert mit einer ein gekürzten Feder-gabel ist eine Sonderanfertigung, die individuell auf Kundenwunsch (Gewicht des Fahrers, Abstand vom Center bis zur Hinterachse und Leistung des Bikes) angefertigt wird.

Dass diese Umbauten eher tricky sind angesichts des Platzmangels ­innerhalb der vollver-kleideten Hayabusa, kann man sich lebhaft vorstellen. Da wird beispielsweise mal der Sprittank in die Hinterradschwinge verfrachtet oder wandert unter den Fahrersitz. Einiges an Elektronik wird zusätzlich implantiert, heikle Sensorentechnik, die peinlichst genau festhält, was in diesen schlappen 7 Sekunden vor sich geht. Hauptaugenmerk ist hier die Einlass-lufttemperatur.

Die aberwitzigen Leistungssaubeute, die diese Super Street Bikes erreichen können, basieren auf Turbo-Technik. Spezialist Owen Development bietet ein Turboset an, was komplett unter der Verkleidung Platz findet. Leicht zu erkennen an dem seitlich hervorschauenden Luftfilter. Eine weitere Systemlösung ist beispielsweise der Typ 3582 aus der Manufaktur Garrett. Der Hersteller empfiehlt seinen Kunden, diesen Typ Turbo für Motoren ab 3 Liter Hubraum! Die Hayabusa hat lediglich 1300 Kubik, die hier zwangsbeatmet werden. In Mode gekommen ist auch ein sog. Side Mounted Turbolader. Der seitlich außerhalb am Motorrad angebrachte Turbo wird direkt vom Fahrtwind angeströmt. Durch die Platzersparnis kann einen effizienteren Abgaskrümmer verbaut werden. Die Balance des Bikes wird durch die Position negativ beeinflusst. Aerodynamisch wird versucht, es dem Piloten so komfortabel wie möglich zu gestalten. Bei diesen Endgeschwindigkeiten sollte das nicht vernachlässigt werden. Manche Rennstrecken sind berüchtigt für die lokalen Winde.

Am Start drehen die Motoren bereits zwischen 7000 und 8000/min. Da sollte man schon genau wissen, wann man den Hahn voll spannt. Wenn der Nachbrenner erst einmal eingesetzt,  beziehungsweise der PS- und Drehmomentsprung freien Lauf lässt, muss man Kontrollieren was eigentlich nicht kontrollierbar ist. Höhepunkt der Drehzahlorgie sind 12500 bis 13000 U/min. Mit schlappen 2 bar Ladedruck wird Frischluft in die Brennräume gepresst. Dabei dreht der Turbo jenseits der 200.000 U/min. Kein Wunder, denn je nach Abstimmung leisten die Motoren zwischen 550- und 650- teilweise bis skulieren 700 Pferdestärken! Mit bis zu 2,4 G wir das 300 kg Geschoss beschleunigt. Ebenso bemerkenswert ist, dass die original Kurbelwelle und Getriebe diesen enormen Kräften gewachsen ist.

Verstärkte Stehbolzen müssen her und ermöglichen es, diese hohen Drücke zu realisieren. Auch das sogenannte Plenum aus Aluminium (Airbox/Intercooler) muss mit Spanngurten am Rahmen fixiert werden- um ein ungewolltes Abheben zu verhindern – sicher ist sicher.

Motoren, die mit Turbotechnik ausgestattet sind, haben zumeist auch ein ausgeklügeltes Ladeluftkühlsystem. Er sorgt dafür, dass die Ansaugluft abgekühlt wird. Dadurch verbessert sich der Wirkungsgrad des Motors, wodurch die Leistung des Bikes verbessert wird. Je weiter die Ansaugluft heruntergekühlt wird, desto mehr Motorleistung ist möglich. Unter-schiedliche Systeme kommen hier zum Einsatz. Trockeneis, CO², Eis, Wasser und ab 2019 ist Methanol erlaubt.

Mittels Schaltautomat werden die einzelnen Gänge so durchgesteppt. Das Gas wird nicht zurückgenommen – permanente Beschleunigung! Für die Materialschlacht haben unzählige Hersteller diesen Mark für sich entdeckt und bieten exklusive Tuning- und hochwertige Zube-hörteile an. Ob speziell fein abgestimmte Ventiltriebe und Zylinderköpfe, Hochleistungssprit- und Ölpumpen, Rennkupplungen und komplexe Turbo- und Einspritzsysteme. Die Com-puterbranche hat geeignete Lösungen parat und bietet spezielle Softwareprogramme an, um der Datenflut Herr werden zu können. Namhafte, zumeist Zulieferer aus den USA sind hier D:M:E, MTC, APE, Orient Express, Vans & Hines oder Magneti Marelli. Weit verbreitet bei den Teams ist die Steuerung von dem Australischen Hersteller MoTeC.

Für jeden Lauf sind Parameter wie Luftdruck, Umgebungs- und Streckentemperatur sowie die Beschaffenheit (Gripp) der Strecke sind Voraussetzung für ein geeignetes Set Up. Über die Kupplungseinstellung, Drehzahl am Start, die einstellbare Drehmomentkorrektur (Anhebung des Ladedrucks ab einer bestimmten Drehzahl bis zum Maximaldruck). Für hohe Drehzahlen, bei denen der Turbomotor zwangsläufig abfällt sind Kriterien, die entscheidend sind über Sieg oder Niederlage. An einem Rennwochenende ist es nicht unüblich, die erfassten Daten (Logs von der ECU) direkt nach dem Lauf in die USA zu schicken und diese dort von namhaften Fahrern analysieren zu lassen. Langfristig gesehen ist es kostengünstiger diese Variante zu wählen, als kostenintensive und zeitaufwendige Testläufe durchzuführen.

Im Land der „unbegrenzten Möglichkeiten“ haben Top-Teams eindeutig mehr Möglichkeiten. Die Saison beginnt weitaus früher, dauert länger und umfasst mehr Meisterschaftsläufe. Im Heimatland des Drag Racing hat fast jede größere Stadt, die etwas auf sich hält, einen Drag-strip, wo regelmäßig sogenannte Test & Tune Events stattfinden. Beste Voraussetzungen also, sein Bike abzustimmen. Basierend auf langjährige Erfahrungen, Streckenbeschaffen-heit, Traktion, Wetterbedingungen etc. ist es einfacher sich diesen Erfahrungsschatz der Big Boys zu Nutze zu machen.

In Europa gibt es zwei unabhängige Rennserien, die jeweils vier Meisterschaftsläufe ausrichten. Zum Einen die FIM (Fédération Internationale de Motocyclisme) und zum Anderen die EDRS Pro Motorcycle Championship.

Bei der 2018er Ausgabe der NitrOlympix zum Beispiel, kämpften 28 Super Street Bikes bereits im Zeittraining am Freitag und Samstag um Bestzeiten, um sich für den Final- Sonntag zu qualifizieren. Etliche niedrigste 7er-Zeiten wurden Side-by-Side auf die Viertelmeile gebrannt Die erste 6er-Zeit auf die Rico-Anthes-Quartermile des Hockenheim Rings blieb den Motor-sportbegeistertem Publikum aber verwehrt. Aber es sollte einfach nicht sein. Dieses Jahr soll die erste „6“ in Deutschland fallen, darin sind sich die Fahrer einig und werden alles dafür tun.

Wir dürfen also gespannt sein. Also nichts wie hin

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